Heft 3-2011, 35. Jahrgang

Erzählen

Herausgegeben von: Andrea Moser-Pacher & Bettina Rabelhofer

Erzählen ist überall. Erzählen ist nirgends. Beide Sätze sind widersprüchlich und beide Sätze sind richtig.

Erzählen ist ein Grundbedürfnis des Menschen. Doch in einer zunehmend ergebnisorientierten, nach marktwirtschaftlichem Erfolg strebenden Gesellschaft wird auch das „Leben“ standardisiert und ökonomisiert, effizient und effektiv gemacht. Und auch die Schule scheint in Zeiten der Output-Orientierung die Schülerinnen und Schüler einzig auf dieses einseitig-eindimensionale Leben vorzubereiten.

Erzählen braucht Zeit. Doch diese ist knapp geworden. Und vielleicht sollte die Schule mehr ein Ort der Muße, der Reflexion und Selbstvergewisserung werden, indem sie der sprachlichen Entfaltung heranwachsender Menschen wieder mehr Raum und Zeit gibt, sich erzählerisch auf das eigene Geworden-Sein einzulassen.

Literarisches Erzählen hat ebenso wie alltägliches Erzählen in der Schule schon immer seinen Platz gehabt und kann im Verein mit didaktischem Geschick Bildungs- und Selbstbildungsprozesse vorantreiben. Das ist wichtig in einer Zeit, in der traditionelle Lebensmodelle an Verbindlichkeit verlieren und das Individuum zunehmend auf sich selbst gestellt seinen Möglichkeitsraum ausloten muss.

Erzählen birgt Potential für Gemeinschaft, Miteinander und Zugehörig-Sein. Denn Erzählende brauchen ein zuhörendes Gegenüber, einen verstehenden Anderen und einen geschützten Raum für die Entfaltung von Gedanken, Stimmungen und Träumen. Hat das Platz in einer Zeit, in der mehr gezählt als erzählt wird?

Anliegen des Heftes ist es, Erzählen in vielen seiner Dimensionen kaleidoskophaft aufblitzen zu lassen. Intellektuell-literaturwissenschaftliche und sinnlich-körperbezogene Zugänge erschließen dabei Erzähltes in der Hoffnung, sowohl Lehrende als auch Schülerinnen und Schüler für literarische Begegnungen zu sensibilisieren.

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